Zwei Generationen streiten sich darüber, was der Einsatz von Computern für die Musikkomposition bedeutet. Während jüngere Musiker den breiten Möglichkeiten der Musikerschaffung offen gegenüberstehen, beunruhigt die Befürchtung, dass Musik ihr „menschliches Antlitz“ verlieren könnte, die ältere Generation.
Als Casio seinen Synthesizer am Anfang der achtziger Jahre auf den Markt brachte, war kaum ein Musiker sonderlich aufgeregt. Sein „künstlicher“ Klang hielt keinem Vergleich mit der „natürlichen“ Musik stand. Aber der Computer hielt unaufhaltsam seinen Einzug und eröffnete fast unbeschränkte Möglichkeiten. Ein Professor der Universität von Kalifornien David Cope überraschte, schockierte und entrüstete teils sogar die Öffentlichkeit, als er Emily Howell bekannt machte. Es handelte sich hierbei weder um seine Frau noch um eine seiner Studentinnen. Emily ist ein Computerprogramm, das Musik komponieren kann und dies durchaus vergleichbar mit einigen modernen Komponisten.
Die erste Version (EMI) lieferte noch hauptsächlich Nachbildungen von klassischen Werken. Stellen Sie sich vor – Sie laden ein Stück von Mozart oder Beethoven, EMI analysiert es und produziert ein neues Werk, das klingt, als hätte es der berühmte Komponist selbst geschrieben. Eine spätere Version entwickelte anhand der Datenbank dieser Nachbildungen ihren eigenen Stil. Sie wurde interaktiv – man konnte die vom Programm produzierten Stücke kritisieren, dem Programm seine Präferenzen mitteilen und Emily bezog diese Informationen in die Arbeit mit ein. Im Jahr 2010 erschien sogar die CD „From Darkness, Light“ von Emily.
Was macht Komponisten so besorgt, wenn es um das Thema Computer geht? Das Hauptgegenargument besteht darin, dass die so produzierte Musik zu „vollkommen“ klingt, ohne individuelle Tönung. Der Computer spielt eine ideale, fehlerfreie Melodie mit dem richtigen Rhythmus und Tempo, also müssen Ohren und die Verstellungskraft keine Arbeit mehr leisten. Der Musiker muss sich nicht mehr einstimmen, um die Töne richtig interpretieren zu können – die Arbeit übernimmt für ihn der Computer.
Andererseits können nun Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen Musik schaffen. Um ein originelles Musikstück zu schreiben, braucht man keine langwierige Musikausbildung, man muss keine endlosen Übungsstunden mehr ableisten. Ein Rechner, die passende Software und Inspiration - alles, was nötig ist. Ein Sampler, Sequenzer und Synthesizer stehen jedem zur Verfügung. Die Brooklyner Rockband Parts & Labor veröffentlichte sogar ein Album, das ganz aus von Fans eigensendeten Samples besteht. Ist es nicht wunderbar, zu dem Album einer Lieblingsband etwas beizutragen?
Es ist eine grosse Kunst, ein ausgeglichenes, vernünftiges Verhältnis zur Umwelt zu entwickeln. Wenn Musik Vergnügen bereitet, ist es ja vielleicht gar nicht so wichtig, wie sie geschaffen wurde.
Wie sieht es mit Ihnen aus, würden Sie Herrn Computer als Teil der Musik-Community willkommen heissen?
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